Das Doppelspalt-Experiment mit Elektronen

In der Optik gilt der Doppelspaltversuch von Thomas Young als wichtigster Nachweis der Welleneigenschaft des Lichts.

Gottfried Möllenstedt und sein Schüler Claus Jönsson wollten mit einem entsprechenden Experiment zeigen, dass Elektronen nicht nur Teilchen sind, sondern wie das Licht auch Welleneigenschaften haben.

Die Realisierung des Doppelspaltexperiments mit Elektronen war eine große Herausforderung, denn wegen der kurzen Wellenlänge der „Elektronenwellen“ musste der Doppelspalt sehr schmal sein und vor allem kohärent ausgeleuchtet werden.

Die zu erwartenden Interferenzstreifen sind außerdem sehr schmal, so dass sie vergrößert werden mussten.

Ein Problem bestand auch darin, dass Elektronen eine Ladung haben und daher Coulombkräfte wirken. Um diese störenden Einflüsse zu minimieren, wurde den Elektronen eine hohe Energie (50keV) erteilt. Die daraus resultierende De-Broglie-Wellenlänge ist daher sehr klein.

Das wiederum erfordert entsprechend kleine Spalte. Ein weiteres Problem ist, dass es keine für Elektronen „durchsichtige“ Substanzen gibt. Es waren also materiefreie Spalte nötig.

Mit Hilfe galvanischer Methoden gelang es Jönsson schließlich, entsprechende Spaltanordnungen herzustellen und Spaltbreiten und Spaltabstände von unter 1μm (1/1000 mm) zu realisieren.

Folgende Werte wurden beim Doppelspaltexperiment mit Elektronen verwendet:

Energie der Elektronen:   50 keV

Spaltbreite:   500 nm (0,5 µm)

Spaltabstand:   2000 nm (2 µm)

Ergebnis:

Das Beugungsbild hinter dem Doppelspalt zeigt in 1000-facher Vergrößerung die gleichen Interferenzstreifen wie bei Licht!

Interferenz Elektronen

Auch bei Elektronen tritt Interferenz auf!

Der Versuch zeigt also:

Es ist möglich, auch mit Elektronen Interferenz am Doppelspalt nachzuweisen.

Doch wie kommt dieses Interferenzmuster zustande? Schließlich galt das Phänomen Interferenz als eindeutiger Nachweis von Wellen!

Wie kann man sich die Entstehung des Interferenzbildes bei Elektronen vorstellen?

Der Schirm besteht aus einem Material, das sich beim Auftreffen eines Elektrons verfärbt (Fotopapier).

Die gleichen Ergebnisse ergeben sich mit Licht (Photonen) bei sehr schwacher Intensität – es ist eine Körnung auf dem Fotopapier zu erkennen, welches durch das Auftreffen einzelner Photonen erklärt werden kann.

Auf ähnliche Weise ist es möglich, mit Hilfe von Detektoren den Auftreffpunkt von einzelnen Elektronen oder Photonen genau zu bestimmen.

Jedes durchgelassene Elektron kann genau in einem Detektor nachgewiesen werden. Die Elektronen treffen nacheinander so auf die Detektoren, dass sich mit der Zeit (bei einer entsprechend großen Anzahl an Elektronen) das bekannte Interferenzmuster ergibt.

Untersuchung der Auftreffpunkte einzelner Elektronen

Zunächst scheinen die Elektronen völlig zufällig und ungeordnet auf den Schirm zu treffen. Doch nach und nach wird deutlich, dass es bestimmte Bereiche auf dem Schirm gibt, die häufiger von Elektronen getroffen werden als andere. Mit der Zeit erkennt man das bekannte Interferenzmuster.

Das bedeutet:

Die Auftreffhäufigkeit der Elektronen auf bestimmten Bereichen auf dem Schirm gibt Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit, mit der die Elektronen auf einen bestimmten Bereich auf dem Schirm treffen.

Diese Auftreffhäufigkeit auf dem Schirm entspricht der Intensitätsverteilung beim Doppelspaltexperiment mit Licht.

Unsere Vorstellung versagt

Nach unserer Vorstellung kann ein Elektron, das auf den Doppelspalt trifft, nur entweder durch den einen oder durch den anderen Spalt zum Schirm gelangen. Doch dann müsste auf dem Schirm hinter jedem Spalt ein Bereich (Streifen) entstehen, in dem besonders viele Elektronen auftreffen. Zwischen den Spalten dürften keine oder nur wenige Elektronen auftreffen.

Doch das ist nicht der Fall – so entsteht genau zwischen den Spalten ein Bereich, in dem besonders viele Elektronen auftreffen (Hauptmaximum).

Die Existenz beider Spalte scheint also das Verhalten jedes einzelnen Elektrons zu beeinflussen.

Doch wie “merkt” ein Elektron, das durch Spalt A gelangt, ob es noch einen weiteren Spalt B gibt bzw. ob dieser offen oder geschlossen ist?

Und woher “weiß” das nachfolgende Elektron, wie sich die vorangegangenen Elektronen verhalten haben und wie es sich selbst zu verhalten hat, damit statistisch das bekannte Interferenzmuster entsteht?

Erkenntnisse aus dem Jönsson-Experiment

Mit der klassischen Vorstellung ist dieses Verhalten nicht zu erklären. Die Elektronen bzw. Photonen scheinen zufällig auf den Schirm zu treffen, gehorchen statistisch jedoch einer ganz bestimmten Verteilung.

So lässt sich für ein einzelnes Objekt nicht vorhersagen, wie es sich verhalten wird – der Auftreffpunkt eines einzelnen Elektrons oder Photons kann also nicht vorhergesagt werden.

Dies ist ein fundamentaler Unterschied zur klassischen Physik, denn nach den Vorstellungen der klassischen Physik lässt sich das Verhalten jedes Objektes exakt vorhersagen, vorausgesetzt man kennt die genauen Eigenschaften (Ort, Geschwindigkeit bzw. Impuls) zu einem bestimmten Zeitpunkt sowie alle äußeren Einflüsse.

Doch in der Quantenphysik spielt der Zufall offensichtlich eine entscheidende Rolle. Damit konnten und wollten sich viele bekannte Physiker zunächst nicht abfinden. Auch Einstein behagte diese Vorstellung nicht, was in dem Zitat “Gott würfelt nicht” zum Ausdruck kommt.

Das gleiche Verhalten wie von Elektronen kann man auch bei Neutronen, Protonen, Atomen oder Molekülen feststellen. Auch Photonen gehören zu den sog. Quantenobjekten.

Der Unterschied zwischen Elektronen etc. und Photonen ist aber, dass Elektronen, Protonen etc. eine Ruhemasse haben, Photonen jedoch nicht.

Prinzipiell kennt die Quantenmechanik keine Grenze, ab der Objekte kein Wellenverhalten mehr zeigen.

Für Experimentalphysiker war es somit eine faszinierende Herausforderung, Phänomene wie Beugung und Interferenz an immer größeren Objekten zu realisieren.

So konnten entsprechende Phänomene selbst mit Atomen oder Molekülen nachgewiesen werden. Die größten Objekte, mit denen das bisher gelang, sind sog. Fullerene. Bei Fullerenen handelt es sich um Moleküle, die aus 60 Kohlenstoffatomen bestehen und aussehen wie Fußbälle.

Haben auch makroskopische Objekte eine Wellenlänge?

Nach der Aussage von oben, dass es keine Grenze gibt, ab der Objekte kein Wellenverhalten mehr zeigen, müsste dies auch für makroskopische Objekte gelten, z.B. für eine Kugel oder einen Golfball.

Berechnet man die De-Broglie-Wellenlänge für einen Golfball (m = 45 g), der sich mit einer Geschwindigkeit von 50 m/s bewegt, so ergibt sich ein Wert von \lambda=2,94\cdot 10^{-34}\, m.

Die De-Broglie-Wellenlänge ist also so extrem klein, dass selbst an Beugungsobjekten mit atomaren Abständen keine Interferenzen nachweisbar wären – abgesehen davon, dass makroskopische Objekte eine viel zu große Ausdehnung für derartige Experimente haben.

Die Wellenlänge von makroskopischen Objekten hat daher keine praktische Relevanz.

Zusammenfassung der Erkenntnisse

Auch bei Elektronen können wir anscheinend nicht davon ausgehen, dass sich diese als Teilchen auf einer wohldefinierten Bahn (von der Elektronenquelle durch einen Spalt zum Schirm) bewegen, denn eine solche Bahnvorstellung lässt sich nicht mit dem Interferenzmuster vereinbaren.

Elektronen sind wie Photonen weder Teilchen noch Wellen, sondern Quantenobjekte, die eigenen Regeln folgen.

In der mit unseren Sinnen zugänglichen Welt gibt es keine Objekte, die sich wie Elektronen verhalten.

So lässt sich keine Vorhersage für das Verhalten einzelner Quantenobjekte, sondern nur über das statistische Verhalten einer großen Anzahl an Quantenobjekten machen und damit Wahrscheinlichkeitsaussagen über einzelne Quantenobjekte machen.

Wahrscheinlichkeitsdeutung der Quantentheorie

Das Verhalten einzelner Quantenobjekte kann in der Regel nicht vorhergesagt werden.

Man kann lediglich eine Wahrscheinlichkeitsaussage machen, ein Quantenobjekt an einem bestimmten Ort anzutreffen.

Diese Wahrscheinlichkeitsdeutung ist der eigentliche Kern der modernen Quantentheorie.

Das Auftreten von Interferenz bei Quantenobjekten kann mit dem Teilchenmodell nicht erklärt werden. Doch auch das klassische Wellenmodell versagt hier – denn sonst müsste sich die Verteilung auf dem Schirm sofort ergeben – sie baut sich aber erst nach und nach auf.

Man kann also sagen:

Quantenobjekte sind weder Welle noch Teilchen

Es scheint sich um teilchenhafte Objekte zu handeln, deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit durch eine Wellenfunktion gegeben ist, die ihrerseits tatsächlich der klassischen Wellenlehre gehorcht.

Mehr zu dieser Wellenfunktion erfährst Du im Kapitel “Atomphysik”!

Info:

Jönsson veröffentlichte seine Ergebnisse im Jahre 1961 in der “Zeitschrift für Physik”. Das Experiment zählt als einer der wichtigsten Meilensteine in der Quantenmechanik und wurde 2002 in einer Umfrage des Organs der englischen physikalischen Gesellschaft “Physics World” als “schönstes Experiment aller Zeiten” gewählt.

Der Grund dafür: Der Aufbau ist einfach zu verstehen, und das Experiment war trotzdem in der Lage, selbst die hartnäckigsten Gegner der Quantenmechanik von ihrer Richtigkeit zu überzeugen.

Übungsaufgaben:

Cornelsen Oberstufe Physik Band 2 (1. Auflage 1998)

S. 312  A5, A6, A8

Metzler Physik SII (3. Auflage 1998)

S. 389  1. – 3.