Der Millikan-Versuch – Bestimmung der Elementarladung
In der Mitte des 19. Jahrhunderts fand MICHAEL FARADAY (1791–1867) heraus, dass bei der Elektrolyse zur Abscheidung einer bestimmten Anzahl von Atomen gegebener Wertigkeit immer die gleiche Ladung erforderlich ist. Auf dieser Grundlage versuchte der britische Physiker G. J. STONEY (1826–1911) eine erste Abschätzung der Elementarladung, konnte aber nur einen statistischen Mittelwert angeben.
Mit einem völlig anderen Verfahren gelang es dem amerikanischen Physiker ROBERT ANDREWS MILLIKAN (1868–1953) in den Jahren 1909 bis 1913 erstmals, die Elementarladung e relativ genau zu bestimmen. Er nutzte dazu die Tröpfchenmethode, der Versuch wird heute als MILLIKAN-Versuch (oder auch Öltröpfchenversuch) bzw. MILLIKAN-EXPERIMENT bezeichnet. MILLIKAN erhielt für die Präzisionsmessung der Elementarladung 1923 den Nobelpreis für Physik.
Zuvor war gar nicht klar, ob es überhaupt so etwas wie eine kleinste Ladung gibt.
Mit dem im folgenden beschriebenen Experiment konnte Robert Millikan nachweisen, dass es eine kleinste Ladung – die sog. Elementarladung – gibt, und er konnte diese als erster relativ genau bestimmen.
Grundgedanke und Versuchsaufbau zum Millikan-Versuch
Wenn man Öl zerstäubt, erhält man winzige Tröpfchen, die durch den Vorgang des plötzlichen Teilens elektrisch geladen werden (positiv oder negativ).
Ein Öltröpfchen fällt unter dem Einfluss der Schwerkraft nach unten, wird aber durch die Reibung in der Luft abgebremst, so dass die Fallgeschwindigkeit klein bleibt – genauso, wie sehr feine Regentropfen nur sehr langsam nach unten fallen.
Die Reibungskraft ist von der Geschwindigkeit abhängig. Je größer die Fallgeschwindigkeit wird, umso größer ist die Reibungskraft. Ist die Reibungskraft so groß wie die Gewichtskraft, heben sich beide Kräfte auf, und das Tröpfchen wird nicht weiter beschleunigt, sondern bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter.
Öltröpfchen beim Fallen in Luft (ohne elektrisches Feld):
Nach einer sehr kurzen Beschleunigungsphase führt das Öltröpfchen eine gleichförmige Bewegung aus (v0 = konst.), da sich die Gewichtskraft FG und die Reibungskraft FR aufheben.
Es herrscht dann ein Kräftegleichgewicht:
|FG| = |FR|
(Die Reibungskraft in Luft hängt von der Geschwindigkeit ab – je größer v, desto größer FR).
Die Reibungskraft FR für einen kugelförmigen Körper in einem Medium der Zähigkeit (dynamische Viskosität) η (Eta) beträgt:
(Dabei ist der Radius des kugelförmigen Körpers)
Die Reibungskraft steigt also proportional zur Geschwindigkeit.
Dieser Zusammenhang wird als Stokessches Gesetz bezeichnet.
Für Luft gilt:
Wie bei Regentropfen gilt:
Je schwerer der Tropfen ist (je größer die Gewichtskraft FG), umso größer ist die Fallgeschwindigkeit v und damit auch die Reibungskraft FR.
Daher kann man aus der Fallgeschwindigkeit auf die Gewichtskraft eines Öltröpfchens schließen.
Ein vereinfachter Zusammenhang zwischen Fallgeschwindigkeit und Gewichtskraft ist in folgendem Diagramm dargestellt:
Zusammenhang zwischen Fallgeschwindigkeit v und Gewichtskraft FG eines Öltröpfchens in Luft
Man erkennt im Diagramm:
Bis zu einer bestimmten Masse bzw. Gewichtskraft schwebt das Öltröpfchen.
(Vgl.: bei Nebel sind die Tröpfchen so klein, dass sie in der Luft stehen und nicht herunterfallen.)
Öltröpfchen im elektrischen Feld
Befindet sich das geladene Öltröpfchen zusätzlich in einem elektrischen Feld, wirkt eine weitere Kraft, nämlich die elektrische Kraft:
Je nach Richtung des elektrischen Feldes bzw. je nach Vorzeichen der elektrischen Ladung des Öltröpfchens wirken Gewichtskraft FG und elektrische Kraft Fel entweder in die gleiche (linkes Bild) oder in entgegengesetzte Richtung (rechtes Bild).
Die elektrische Kraft hängt von der Ladung Q des Öltröpfchens sowie der elektrischen Feldstärke E und damit von der angelegten Spannung U ab.
Sind elektrische Kraft und Gewichtskraft gleich groß und entgegengesetzt, herrscht ein Kräftegleichgewicht, und das Öltröpchen schwebt.
Für den Schwebezustand gilt:
Mit und
ergibt sich für die Ladung des Öltröpfchens
Ist die Gewichtskraft bekannt, so kann die Ladung eines Öltröpfchens mit dieser Gleichung leicht berechnet werden.
Mit Hilfe des oben dargestellten Zusammenhangs lässt sich die Gewichtskraft eines Öltröpfchens aus der (messbareren) Fallgeschwindigkeit ohne elektrisches Feld abschätzen. Allerdings ist diese Methode recht ungenau, da der dargestellte Zusammenhang eine Vereinfachung darstellt.
Doch auch ohne die Gewichtskraft zu kennen, ist es möglich, die Ladung eines Öltröpfchens zu bestimmen.
Die Bestimmung der Ladung eines Öltröpfchens mit Hilfe des Millikan-Versuchs lässt sich grundsätzlich mit Hilfe zweier verschiedener Methoden durchführen:
Methode 1: Schwebemethode
Diese Methode beruht auf der Bestimmung der Ladung durch Messen der Schwebespannung und der Fallgeschwindigkeit ohne elektrisches Feld.
Vorgehensweise:
Ein Öltröpfchen wird durch Änderung der Spannung zum Schweben gebracht (s.o.). Diese sog. “Schwebespannung” wird notiert. Im Schwebezustand gibt es ein Kräftegleichgewicht zwischen Gewichtskraft und elektrischer Kraft.
Es gilt: .
Anschließend wird die Spannung ausgeschaltet und die Fallgeschwindigkeit dieses Öltröpfchens ohne elektrisches Feld gemessen. Dabei stellt sich ein Kräftegleichgewicht zwischen Gewichtskraft und Reibungskraft ein.
Es gilt: .