Untersuchung einer einfachen Bewegung

Wir wollen nun eine einfache Bewegung durch Messungen von Ort bzw. Stecke und Zeit untersuchen.

Du hast sicher bereits in Klasse 8 eine gleichförmige Bewegung untersucht und kennst vielleicht noch die wesentlichen Eigenschaften und mathematischen Zusammenhänge. Dieser Abschnitt stellt eine Wiederholung und Erweiterung dieser Inhalte dar.

Versuch:

Ein Wagen auf einer Luftkissenbahn wird kurz angeschoben und gleitet dann praktisch reibungsfrei bis zum Ende der Bahn.

Es soll untersucht werden, ob der Wagen nach dem Anschieben gleich schnell weiterfährt, oder ob sich seine Geschwindigkeit ändert.

Auf der Bahn werden in gleichen Abständen (je 20 cm) Markierungen angebracht. Mit Stoppuhren werden dann die Zeiten gemessen, die der Wagen von einem Anfangspunkt (erste Markierung) bis zu den weiteren Markierungen benötigt.

gleichförmige Bewegung Luftkissenfahrbahn

Da der Startpunkt (Nullpunkt) bei der ersten Markierung liegt, gilt demzufolge für diesen Punkt für die Strecke s = 0 und für die Zeit t = 0. Bei der zweiten Markierung gilt s = s1 = 20 cm, bei der dritten s = s2 = 40 cm usw. Die Zeiten für die verschiedenen Abschnitte werden gemessen und notiert.

Alle Messwerte werden in eine Tabelle eingetragen:

Messwerte:

Strecke s in cm Zeit t in s \dfrac {\Delta s}{\Delta t} in \dfrac {cm}{s} *
0 0
20 0,56 35,7
40 1,09 37,7
60 1,57 41,7
80 2,19 32,3
100 2,75 35,7
120 3,34 33,9

* Die Quotienten in der rechten Spalte wurden jeweils für die einzelnen Abschnitte von 20cm berechnet. Dafür werden jeweils die Differenzen zwischen den Messwerten der jeweiligen Zeile und der darüberliegende Zeile gebildet.

Beispielrechnung für die dritte Zeile:

\dfrac {\Delta s}{\Delta t}=\dfrac {40\,cm-20\,cm}{1,09\,s-0,56\,s}=\dfrac {20\,cm}{0,55\,s}=37,7\,\dfrac {cm}{s}

Die Berechnung der Quotienten für alle Abschnitte zeigt, dass diese mehr oder weniger konstant sind, was bedeutet, dass die Geschwindigkeit für alle Teilstrecken annähernd konstant ist. Die Abweichungen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Messfehler zurückzuführen.

Messfehler

Bei allen Messungen treten Fehler auf. Die Messung der Zeiten für die verschiedenen Teilstrecken ist recht ungenau, denn es entstehen Messfehler durch zu frühes oder zu spätes Betätigen der Stoppuhr beim Starten und Stoppen aufgrund der Reaktionszeit etc.

Die Genauigkeit der Messungen wird auf \pm0,2\,s geschätzt.

Bei Berücksichtigung dieser Messungenauigkeit lässt sich nicht eindeutig sagen, ob der Wagen immer gleich schnell war oder nicht. Eine bessere Beurteilung liefert eine grafische Auswertung der Messwerte.

Grafische Auswertung

Die Messwerte für die Strecke s und die Zeit t werden nun in einem Koordinatensystem gegeneinander aufgetragen.

Dafür muss zunächst eine Entscheidung über die Zuordnung der gemessenen Größen und den Koordinatenachsen getroffen werden.

Ändert sich eine Größe zeitlich, so ist es üblich, die Zeit auf der waagerechten Achse (Abszissenachse) und die andere Messgröße (in diesem Fall die Strecke) auf der senkrechten Achse (Ordinatenachse) aufzutragen.

Zurückgelegte Strecke s in Abhängigkeit von der Zeit t

Weg-Zeit-Diagramm gleichförmige Bewegung

Ergebnis:

Alle Messpunkte liegen annähernd auf einer Geraden. Es ergibt sich also ein linearer Verlauf – Abweichungen werden als Messfehler (s.o.) interpretiert. Man zeichnet daher eine Ausgleichsgerade, die den Verlauf möglichst genau beschreibt.

Was bedeutet dieses Ergebnis?

Trägt man zwei Größen gegeneinander auf, und es ergibt sich dabei eine Gerade durch den Nullpunkt (Ursprungsgerade), so gilt: Die beiden Größten sind zueinander proportional.

In diesem Beispiel gilt also:     s\sim t        (Strecke und Zeit sind zueinander proportional)

Außerdem gilt: Sind zwei Größen zueinander proportional, so ist ihr Quotient konstant.

Damit gilt also:     \dfrac {s}{t}=konst.

Die Geschwindigkeit

Der Quotient aus zurückgelegtem Weg Δs und der dazu benötigten Zeit Δt ist definiert als Geschwindigkeit v:

Es gilt:     v=\dfrac {\Delta s}{\Delta t}

Dieser Quotient – und damit die Geschwindigkeit – entspricht auch der Steigung im s-t-Diagramm:

Geschwindigkeit s-t-Diagramm

\Delta s sowie \Delta t sind bestimmte Abschnitte der Bewegung. Das griechische Symbol “\Delta” (“Delta”) steht für “Differenz”, und zwar für die Differenz zwischen zwei bestimmten Orten bzw. Zeiten, aus denen sich die jeweiligen Intervalle ergeben:

Hier gilt     \Delta s=s_{2}-s_{1}        und        \Delta t=t_{2}-t_{1}        (s. Skizze)

Ist die Steigung konstant, so macht es keinen Unterschied, wie groß die gewählten Intervalle sind – das Ergebnis ist das gleiche.

Allgemein gilt:

Die Steigung im Weg-Zeit-Diagramm entspricht der Geschwindigkeit v.

Da die Steigung und damit die Geschwindigkeit in diesem Beispiel konstant ist, handelt es sich um eine gleichförmige Bewegung. Bei einer gleichförmigen Bewegung werden in gleichen Zeitabschnitten gleich lange Strecken zurückgelegt.

Bei gleichförmigen Bewegungen ist es völlig egal, wo oder wie groß das Steigungsdreieck eingezeichnet wird, also wie groß die Intervalle \Delta s und \Delta t gewählt werden. Die Geschwindigkeit ließe sich auch aus Gesamtstrecke s_{ges} und Gesamtzeit t_{ges} berechnen.

Für gleichförmige Bewegungen gilt also ebenso

v=\dfrac {s_{ges}}{t_{ges}}     oder ganz allgemein     v=\dfrac {s}{t}

Momentangeschwindigkeit und Durchschnittsgeschwindigkeit

Ist die Geschwindigkeit nicht über den gesamten betrachteten Zeitraum konstant, so unterscheidet man zwischen Momentan– und Durchschnittsgeschwindigkeit.

Das folgernde s-t-Diagramm zeigt eine ungleichförmige Bewegung – die Steigung und damit die Geschwindigkeit ist nicht konstant.

ungleichförmige Bewegung

Diese Bewegung ist nicht gleichförmig


Möchte man die Geschwindigkeit ermitteln, so macht es nun einen Unterschied, welcher Abschnitt der Bewegung betrachtet wird.

Berechnet man nun die Geschwindigkeit mit der einfachen Formel v=\dfrac {s}{t}, und setzt dabei Gesamtstrecke s_{ges} und Gesamtzeit t_{ges} ein, so erhält man nur die Durchschnittsgeschwindigkeit für den gesamten Zeitraum.

Die gestrichelte Gerade zeigt den Verlauf für eine gleichförmige Bewegung mit der gleichen Durchschnittsgeschwindigkeit. Doch wie man sieht, unterscheidet sich die Geschwindigkeit der ungleichförmigen Bewegung praktisch zu jedem Zeitpunkt deutlich von der gleichförmigen Bewegung.

Um die Geschwindigkeit genauer zu erfassen, müsste man diese für verschiedene Abschnitte ermitteln. Man erkennt an den beiden Steigungsdreiecken, dass sich jeweils verschiedene Geschwindigkeiten ergeben. Diese entsprechen jeweils der Durchschnittsgeschwindigkeit für die jeweiligen Abschnitte.

Unter Momentangeschwindigkeit versteht man die Geschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Die Momentangeschwindigkeit ändert sich bei einer ungleichförmigen Bewegung ständig. Diese ließe sich aus dem Diagramm nur annähernd ermitteln, indem der gewählte Zeitabschnitt und damit das Steigungsdreieck möglichst klein gehalten wird.

Info: Zur Berechnung der Steigung in einem Punkt kann man sich der Differentialrechnung bedienen – vorausgesetzt man kennt die Funktion, die den Verlauf im s-t-Diagramm beschreibt. Doch damit beschäftigen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt.

Da sich die Geschwindigkeit bei gleichförmigen Bewegungen nicht ändert, entspricht die Momentangeschwindigkeit der Durchschnittsgeschwindigkeit.

Merke:

Bei gleichförmigen Bewegungen ist die Momentangeschwindigkeit gleich der Durchschnittsgeschwindigkeit.

Für gleichförmige Bewegungen gilt:        v=\dfrac {\Delta s}{\Delta t}=konst.

Für nicht gleichförmige Bewegungen gilt:        v=\dfrac {\Delta s}{\Delta t}  ist nicht konstant!

Bei gleichförmigen Bewegungen gilt daher auch die vereinfachte Form

v=\dfrac {s}{t}        (s.o.).

Diese Gleichung lässt sich nach s umstellen. So lässt sich für eine bekannte Geschwindigkeit v die zurückgelegte Strecke s für eine bestimmte Zeit t berechnen.

Für die Strecke gilt damit:     s=v\cdot t

Dieser Zusammenhang wird als Weg-Zeit-Gesetz für gleichförmige Bewegungen bezeichnet.

Weg-Zeit-Gesetz für gleichförmige Bewegungen:

s=v\cdot t

Beispiele zur Anwendung:

1. Ein Auto fährt eine halbe Stunde lang mit einer konstanten Geschwindigkeit von 120 km/h.

Berechnung der in dieser Zeit zurückgelegten Strecke:

s=v\cdot t=120\,\frac {km}{h}\cdot 0,5\,h=60\,km

2. Ein Läufer läuft mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 25 km/h für 40 Sekunden.

Berechnung der zurückgelegten Strecke in dieser Zeit:

Da die Geschwindigkeit in der Einheit km/h, die Zeit jedoch in Sekunden angegeben ist, müssen wir zunächst die Einheiten anpassen. Dazu rechnen wir die Geschwindigkeit in die Einheit m/s um.

Es gilt:     1\,\dfrac {m}{s}=3,6\,\dfrac {km}{h}

Begründung:

Legt man in einer Sekunde einen Meter zurück, so schafft man in 1000 Sekunden 1000 m, also einen Kilometer. Eine Stunde hat 3.600 Sekunden, also das 3,6-fache von 1000 Sekunden. Die zurückgelegte Strecke pro Stunde beträgt demnach 3,6 km.

Für die Umrechnung von km/h nach m/s muss man also den Wert durch 3,6 teilen:

v=25\,\frac {km}{h}=6,94\,\frac {m}{s}

Damit beträgt die zurückgelegte Strecke

s=v\cdot t=6,94\,\frac {m}{s}\cdot 40\,s=277,78\,m

3. Ein Fußball wird aus einer Entfernung von 15m mit einer Geschwindigkeit von 80km/h auf das Tor geschossen. Wie viel Zeit hat der Torwart zu reagieren?

Nun ist nicht die Strecke, sondern die Zeit gesucht. Dazu müssen wir das Weg-Zeit-Gesetz nach t umstellen:

s=v\cdot t        \vert :v

Wir teilen die Gleichung durch v und erhalten

t=\dfrac {s}{v}

Nun setzen wir die Werte ein. Vorher müssen wir noch die Geschwindigkeit in die Einheit m/s umrechnen (s.o.):

t=\dfrac {s}{v}=\dfrac {15\,m}{22,22\,\frac {m}{s}}=0,675\,s

Der Torwart hat also 0,675 Sekunden Zeit zu reagieren.

Übungsaufgaben:

Cornelsen Oberstufe Physik Band 1 (1. Auflage 1997)

S. 14  A8, A9, A10

Metzler Physik SII (3. Auflage 1998)

S. 17  1. – 5.