Die Zentripetalkraft – Kräfte bei Kreisbewegungen

Ohne äußere Kraft behält ein Körper seinen Bewegungszustand bei, das heißt, er bleibt in Ruhe oder in geradlinig gleichförmiger Bewegung.

Bei einem Körper, der sich auf einer Kreisbahn bewegt, ändert sich jedoch ständig die Richtung. Es muss also eine Kraft geben, die den Körper auf diese Kreisbahn zwingt.

Lässt man beispielsweise einen Körper an einem Faden um einen Mittelpunkt herum kreisen, muss man diesen aktiv zum Mittelpunkt ziehen.

Reißt der Faden, so kann keine Kraft mehr auf den Körper wirken – der Körper bewegt sich dann in die derzeitige Richtung weiter, und zwar geradlinig und tangential zur Kreisbahn.

Die Kraft, die einen Körper auf einer Kreisbahn hält, ist stets zum Kreismittelpunkt gerichtet und heißt Zentripetalkraft Fz. Sie wird in diesem Beispiel vom Faden aufgebracht.

Zentripetalkraft

Die Zentripetalkraft

Die Kraft, die einen Körper auf eine Kreisbahn zwingt, heißt Zentripetalkraft Fz.

Sie ist stets zum Kreismittelpunkt gerichtet und wirkt immer senkrecht auf den momentanen Geschwindigkeitsvektor.

Zentripetalkraft oder Zentrifugalkraft?

Bei der Frage nach den Kräften bei Kreisbewegungen denken die meisten an die Zentrifugalkraft. Schließlich hat diese jeder schon gespürt:

Bewegt man sich selbst auf einer Kreisbahn (z.B. in einem Karussell oder in einer engen Kurve), so hat man das Gefühl, dass man dabei nach außen gezogen wird. Die Kraft, die einen nach außen zieht, ist die sog. Zentrifugalkraft (Fliehkraft).

Gleichzeitig spürt man jedoch auch die Zentripetalkraft, die einen nach innen zieht (z.B. durch den Sitz, den Gurt etc.) und auf der Kreisbahn hält. Es herrscht scheinbar ein Kräftegleichgewicht zwischen Zentrifugal- und Zentripetalkraft, wodurch es möglich scheint, in Ruhe sitzen zu bleiben.

Für einen außenstehenden ruhenden Beobachter gibt es jedoch keinen Grund, eine nach außen gerichtete Kraft anzunehmen. Er erkennt kein Kräftegleichgewicht, denn für ihn ist die rotierende Person nicht in Ruhe, sondern sie ändert ständig ihre Richtung und wird demnach ständig beschleunigt.

Die Zentrifugalkraft wird also nur von demjenigen wahrgenommen, der sich selbst auf einer Kreisbewegung bewegt.

Ein Beobachter von außen benötigt zur Erkärung der Kreisbewegung lediglich die Zentripetalkraft.

Die Zentrifugalkraft (Fliehkraft) ist die Kraft, die ein sich auf einer Kreisbahn bewegender Beobachter verspürt. Sie ist der Zentripetalkraft entgegen gerichtet und gleich groß.

Die Zentrifugalkraft ist eine Trägheitskraft und nur im rotierenden Bezugssystem erkennbar. Daher bezeichnet man sie auch als Scheinkraft.

Was bedeutet “Scheinkraft”?

Die Aussage, ob ein Körper in Ruhe oder in Bewegung ist, lässt sich nur dann eindeutig treffen, wenn angegeben wird, in welchem Bezugssystem sie gelten soll.

Beispiel für Bezugssysteme:

Ein Passagier in einem Flugzeug sitzt in Ruhe in seinem Sitz – diese Aussage ist richtig, wenn als Bezugssystem das Flugzeug gelten soll.

Ein Beobachter, der das Flugzeug über sich hinwegfliegen sieht, würde allerdings eine andere Aussage treffen – für ihn bewegt sich der Fluggast mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Flugzeug. Für ihn ist die Erdoberfläche das Bezugssystem.

Bezugssysteme, in denen die Newtonschen Trägheitsgesetze uneingeschränkt gelten – in denen sich also kräftefreie Körper geradlinig und gleichförmig bewegen – nennt man Inertialsysteme. Verschiedene Inertialsysteme bewegen sich relativ zueinander geradlinig und gleichförmig.

Beschleunigte Bezugssysteme sind hingegen keine Inertialsysteme. In ihnen gelten die Newtonschen Trägheitsgesetze nicht. In beschleunigten Bezugssystemen treten Trägheits– bzw. Scheinkräfte auf.

Beispiel für eine Scheinkraft:

Auf der Mitte der Ladefläche eines Lastwagens befindet sich ein (ungesicherter) Eisklotz. Nun beschleunigt der Lastwagen vorwärts.

Betrachten wir diesen Vorgang einmal aus der Sicht eines mitfahrenden (beschleunigten) Beobachters und einmal aus der Sicht eines außenstehenden ruhenden Beobachters:

Der mitfahrende (beschleunigte) Beobachter sieht, dass der Eisklotz zur Rückseite der Ladefläche hin beschleunigt wird. Demnach würde er eine Kraft annehmen, die den Eisklotz beschleunigt.

Der ruhende Beobachter sieht, dass sich der Lastwagen unter dem Eisklotz wegbewegt und der Eisklotz praktisch in Ruhe bleibt (zumindest bis er an das Ende der Ladefläche stößt). Für ihn gibt es keine Kraft, die auf den Eisklotz wirkt.

Der Eisklotz bleibt aufgrund seiner Trägheit in Ruhe. Aufgrund fehlender Reibung wird er nicht zusammen mit dem Lastwagen beschleunigt.

Die Kraft, die der beschleunigte Beobachter annimmt, ist eine Trägheitskraft, auch Scheinkraft genannt.

Kreisbewegungen sind beschleunigte Bewegungen

Aufgrund der Zentripetalkraft ändert sich bei einer Kreisbewegung ständig die Richtung des Geschwindigkeitsvektors. Bei der Änderung einer Geschwindigkeit spricht man von einer Beschleunigung.

Die Beschleunigung macht sich bei der gleichförmigen Kreisbewegung nicht in einer Erhöhung oder Verringerung der Geschwindigkeit bemerkbar, sondern in einer Änderung ihrer Richtung.

Die Zentripetal- oder Radialbeschleunigung az beschreibt die Geschwindigkeitsänderung bei einer Kreisbewegung.

Für den Zusammenhang zwischen Kraft und Beschleunigung gilt allgemein:

F=m\cdot a     und damit     a=\dfrac {F}{m}

Für die Zentripetalbeschleunigung gilt demnach:

a_{z}=\dfrac {F_{z}}{m}

Wer bringt die Zentripetalkraft auf?

Damit sich ein Körper auf einer Kreisbahn bewegen kann, muss auf ihn eine Zentripetalkraft wirken, die stets zum Mittelpunkt der Kreisbahn gerichtet ist.

Wer diese aufbringt, hängt vom jeweiligen Beispiel ab:

  • Bei der Bewegung des Mondes um die Erde wirkt die Gravitationskraft (Massenanziehung zwischen Mond und Erde) als Zentripetalkraft.
  • Bei dem am Faden kreisenden Körper wird die Zentripetalkraft vom Faden (bzw. von der Hand, die diesen festhält) aufgebracht.
  • Im Karussell wird die Zentripetalkraft von den Sitzen bzw. vom Sicherungssystem aufgebracht.
  • Bei der Kurvenfahrt eines Autos wird die Zentripetalkraft von der Reibungskraft zwischen Reifen und Straße aufgebracht.

Von welchen Größen hängt die Zentripetalkraft ab?

Wir wollen nun mit Hilfe eines Experiments eine Formel zur Berechnung der Zentripetalkraft herleiten.

Um abschätzen oder berechnen zu können, welche Kraft für eine Kreisbewegung erforderlich ist bzw. wie groß die Kraft ist, die auf einen sich auf einer Kreisbahn bewegenden Körper wirkt, müssen wir zunächst überlegen, von welchen Größen die Zentripetalkraft abhängt.

Vermutungen:

Die Zentripetalkraft hängt ab von…

  • Bahngeschwindigkeit v (und damit auch von der Umlaufdauer T, der Drehfrequenz f sowie der Winkelgeschwindigkeit ω)
  • Bahnradius r
  • Masse m des rotierenden Körpers

Unser Ziel ist es, eine Formel zu finden, mit der sich die Zentripetalkraft in Abhängigkeit dieser Größen berechnen lässt.

Um den Zusammenhang zwischen der Zentripetalkraft und den genannten Größen ermitteln zu können, müssen wir zunächst die Zentripetalkraft messen.

Messen der Zentripetalkraft

Zur Messung der Zentripetalkraft auf einen rotierenden Körper, dient folgender Versuchsaufbau:

Zentripetalkraft Messung

Eine Schiene, auf der sich ein Wagen befindet, wird mit Hilfe eines Motors in Rotation versetzt. Der Wagen ist über eine Umlenkrolle mit einem Kraftmesser verbunden, so dass die notwendige Zentripetalkraft gemessen werden kann.

Durch Veränderung der Höhe des Kraftsensors kann der Radius (= Abstand des Schwerpunkts des Wagens zum Kreismittelpunkt, s. Abbildung) variiert werden. Der Radius kann mit Hilfe des Zeigers und der Skala an der Schiene abgelesen werden.

Um die Masse des Wagens zu verändern, kann dieser mit zusätzlichen Gewichten bestückt werden.

Die Umlaufdauer wird mit Hilfe einer Lichtschranke bestimmt: Für jedem Umlauf wird die benötigte Zeit direkt an der Lichtschranke angezeigt – aus mehreren Messwerten kann so ein Mittelwert gebildet werden.

Messreihen

Um die Abhängigkeit der Zentripetalkraft von den o.g. Größen zu ermitteln, wird jeweils eine dieser Größen variiert, die anderen müssen konstant gehalten werden.

Es werden drei Messreihen durchgeführt:

1. Bestimmung der Zentripetalkraft in Abhängigkeit vom Radius r

Die Zentripetalkraft wird bei konstanter Drehfrequenz f bzw. Umlaufdauer T und konstanter Masse m für verschiedene Radien r bestimmt:

m = 150g = 0,15kg

T = 0,8s     f = 1,25Hz

r in cm 10 13 16 19 25
Fz in N 0,9 1,25 1,5 1,8 2,3

2. Bestimmung der Zentripetalkraft in Abhängigkeit von der Drehfrequenz f

Die Zentripetalkraft wird bei konstanter Masse m und konstantem Radius r für verschiedene Drehfrequenzen f bestimmt:

m = 150g = 0,15kg

r = 25cm = 0,25m

f in Hz 0,63 1,04 1,25 1,56 1,85
Fz in N 0,6 1,6 2,3 3,6 5,1

3. Bestimmung der Zentripetalkraft in Abhängigkeit von der Masse m

Die Zentripetalkraft wird bei konstanter Drehfrequenz f und konstantem Radius r für verschiedene Massen m bestimmt:

r = 20cm = 0,2m

T = 1s     f = 1Hz

m in kg 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3
Fz in N 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4

Versuchsergebnisse und Auswertung

Aus den Messungen ergeben sich folgende Zusammenhänge:

1. Die Zentripetalkraft ist proportional zum Radius

F_{z}\sim r

2. Die Zentripetalkraft ist proportional zum Quadrat der Drehfrequenz

F_{z}\sim f^{2}

Da die Winkelgeschwindigkeit ω proportional zur Frequenz f ist (es gilt: \omega=2\pi f), muss die Zentripetalkraft auch proportional zum Quadrat der Winkelgeschwindigkeit sein.

Die Zentripetalkraft ist proportional zum Quadrat der Winkelgeschwindigkeit:

F_{z}\sim \omega^{2}

3. Die Zentripetalkraft ist proportional zur Masse

F_{z}\sim m

Zusammenfassung der Proportionalitäten

Aus den Zusammenhängen 1., 2. und 3. folgt:

F_{z}\sim m\cdot f^{2}\cdot r        bzw.        F_{z}\sim m\cdot \omega ^{2}\cdot r

Der Quotient aus beiden Seiten ist damit konstant:

\dfrac {F_{z}}{m\cdot \omega ^{2}\cdot r}=konst.        bzw.        F_{Z}=konst.\cdot m\cdot \omega^{2}\cdot r

Setzt man die Einheiten aller Größen ein, so erkennt man:

Alle Einheiten lassen sich wegkürzen. Die Konstante hat also keine Einheit.

Ermittelt man den Zahlenwert der Konstanten aus den Messreihen, so ergibt sich annähernd der Wert 1. Man kann sie also einfach weglassen und erhält damit die gesuchte Formel:

Formel zur Berechnung der Zentripetalkraft:

F_{z}=m\omega ^{2}r

Um die Zentripetalkraft in Abhängigkeit von der Bahngeschwindigkeit berechnen zu können,

verwenden wir die Zusammenhänge     v=\omega r     bzw.     \omega=\dfrac {v}{r}     und     \omega^{2}=\dfrac {v^{2}}{r^{2}}

Eingesetzt in die Formel für die Zentripetalkraft (s.o.) ergibt sich damit eine weitere Formel:

Formel zur Berechnung der Zentripetalkraft:

F_{z}=m \dfrac {v^{2}}{r}

Für die Zentripetalbeschleunigung az gilt:

a_{z}=\dfrac {v^{2}}{r}     bzw.     a_{z}=\omega ^{2}r

Anwendung der Zusammenhänge

Nun, da wir die Formeln zur Berechnung der Zentripetalkraft hergeleitet haben, wollen wir damit ein einfaches Problem lösen, welches auf viele weitere Beispiele übertragbar ist.

Beispielaufgabe: Kreisender Wassereimer

Jeder kennt sicherlich das Phänomen, dass man einen mit Wasser gefüllten Eimer vertikal kreisen lassen kann, ohne dass das Wasser aus dem Eimer fließt.

Und jeder weiß: Es klappt nur, wenn der Eimer schnell genug rotiert.

Wie schnell muss der Eimer rotieren, damit kein Wasser heraus fließt?

Mit einer einfachen Überlegung lässt sich genau berechnen, wie groß Bahngeschwindigkeit bzw. Drehfrequenz des Eimers mindestens sein müssen, damit kein Wasser heraus fließt:

Die notwendige Zentripetalkraft, um Eimer und Wasser auf der Kreisbahn zu halten, wird durch die Muskelkraft des Armes aufgebracht – man zieht den Eimer stets in Richtung Kreismittelpunkt.

Im oberen Punkt jedoch gibt es eine weitere Kraft, die genau zum Kreismittelpunkt und damit senkrecht nach unten – wirkt: Die Gewichtskraft FG!

Man kann also sagen: Im oberen Punkt wirkt die Gewichtskraft als Zentripetalkraft. Eine weitere Kraft (durch ein aktives Ziehen mit dem Arm) ist nicht notwendig, wenn die Gewichtskraft nicht größer ist als die notwendige Zentripetalkraft.

Die Bedingung dafür, dass kein Wasser herausfließt, lautet:

Die Gewichtskraft darf nicht größer sein als die Zentripetalkraft – oder anderes ausgedrückt:

Die Zentripetalkraft muss mindestens so groß sein wie die Gewichtskraft.

Der Ansatz zur Lösung des Problems lautet also:

\boldsymbol {F{z}\geq F_{G}}

Nun werden die Größen für die beiden Kräfte eingesetzt:

m\dfrac {v^{2}}{r} \geq mg

Aufgelöst nach v ergibt sich

v^{2} \geq gr     und damit

\boldsymbol {v\geq \sqrt {r\cdot g}}

Der Radius ergibt sich aus der Länge des Armes und des Eimers (mit Griff).

Beträgt dieser beispielsweise 1m, so erhält man für die notwendige Geschwindigkeit:

v\geq 3,13 \frac {m}{s}     bzw.     v\geq 11,3 \frac {km}{h}

Der Eimer muss also eine Bahngeschwindigkeit von mindestens 3,13 m/s bzw. 11,3 km/h haben.

Um die notwendige Drehfrequenz zu berechnen, verwenden wir folgende Zusammenhänge:

Für die Winkelgeschwindigkeit gilt

\omega =\dfrac {v}{r}     sowie     \omega =2\pi f

Daraus ergibt sich:

2\pi f=\dfrac {v}{r}

Umgestellt nach f erhält man für die Frequenz

f=\dfrac {v}{2\pi r}=\dfrac {3,13\frac {m}{s}}{2\pi \cdot 1m}=0,5Hz

Die Umlaufdauer T ergibt sich aus dem Kehrwert der Frequenz – sie beträgt also T = 2s.

Der gleiche Zusammenhang für die notwendige Bahngeschwindigkeit

\boldsymbol {v\geq \sqrt {r\cdot g}}

ergibt sich für viele weitere Beispiele:

Loopingbahn

Ein Wagen soll einen Looping durchfahren. Damit er im höchsten Punkt nicht aus dem Looping fällt, muss die gleiche Bedingung wie im Beispiel mit dem Wassereimer gelten:

Die Zentripetalkraft muss mindestens so groß sein wie die Gewichtskraft.

Loopingbahn Einfahrt

Loopingbahn höchster Punkt

Es ergibt sich der gleiche Ansatz:

F{z}\geq F_{G}

und damit der gleiche Zusammenhang für die notwendige Geschwindigkeit:

v\geq \sqrt {r\cdot g}

Mit dieser Geschwindigkeit ist der Wagen im höchsten Punkt praktisch schwerelos und übt keine Kraft auf die Bahn aus.

Ist die Geschwindigkeit größer, wird der Wagen zusätzlich gegen die Bahn gepresst, ist sie kleiner, fällt der Wagen herunter.