Die elektrische Feldstärke

Wie wir im Abschnitt zum Plattenkondensator bereits erkannt haben, hängt die Kraft auf einen geladenen Körper in einem elektrischen Feld von der Ladungsmenge des Körpers wie auch von der Stärke des elektrischen Feldes ab. Nun gilt es, für die Stärke des Feldes eine geeignete Messgröße zu definieren. Dazu wird der folgende Versuch durchgeführt:

Zusammenhang zwischen Kraft und Ladungsmenge Q im elektrischen Feld

Versuchsziel:

Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Stärke des elektrischen Feldes, der Kraft auf eine Probladung im elektrischen Feld und der Größe der Probeladung

Versuchsaufbau:

Zwischen die Platten eines Plattenkondensators, der an eine Hochspannungsquelle angeschlossen ist (Spannung ca. 6kV), wird eine Rasierklinge bifilar (an zwei dünnen Faden) aufgehängt:

Plattenkondensator Feldstärke

Eine Rasierklinge eignet sich für diesen Versuch besonders gut, da sie sehr dünn ist und eine sehr kleine Masse hat. Dadurch bewirken schon kleine Kräfte eine sichtbare Auslenkung.

Anschließend wird die Rasierklinge durch Berühren einer Platte aufgeladen.

Beobachtung:

Die an der positiven Platte aufgeladene Rasierklinge wird aufgrund der Kraftwirkung im elektrischen Feld in Richtung der negativ geladenen Platte ausgelenkt:

Rasierklinge im Plattenkondensator

Da die Kraft sehr klein ist, ist die Auslenkung nur sehr gering und mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Daher wird die Rasierklinge mit einer Lampe auf eine Tafel projiziert. So kann die Position des Schattens der Rasierklinge für verschiedene Ladungen und Spannungen auf der Tafel markiert werden.

Es lässt sich so mit Hilfe des Strahlensatzes die tatsächliche Auslenkung der Rasierklinge in Abhängigkeit von der Ladungsmenge auf der Rasierklinge und der Spannung am Plattenkondensator bestimmen.

Wie ändert sich die Auslenkung bei veränderter Spannung und Ladung?

Die Spannung am Kondensator kann an der Spannungsquelle direkt verändert und abgelesen werden. Dabei wird die Auslenkung der Rasierklinge beobachtet bzw. gemessen.

Ergebnis:  Je größer die Spannung, umso größer die Auslenkung

Um die Ladungsmenge auf der Rasierklinge zu ändern, geht man folgendermaßen vor:

Man berührt mit einer zweiten gleichartigen (ungeladenen) Rasierklinge, die an einem Isolator befestigt ist, die aufgehängte Rasierklinge. Dadurch verteilt sich die Ladung gleichermaßen auf beide Rasierklingen. Die Ladungsmenge der aufgehängten Rasierklinge wird also halbiert.

Wiederholt man diesen Vorgang mit der ungeladenen Rasierklinge, beträgt die Ladungsmenge auf der aufgehängten Rasierklinge nur noch ein Viertel des ursprünglichen Wertes.

Ergebnis:  Je kleiner die Ladungsmenge, umso kleiner die Auslenkung

Bei kleinen Auslenkungen ist die Rückstellkraft eines Pendels proportional zur Auslenkung. Da das hier der Fall ist, ändert sich die Kraft also gleichermaßen mit der gemessenen Auslenkung.

Bestimmt man die Auslenkung für verschiedene Spannungen und Ladungen, ergeben sich folgende Zusammenhänge:

  • Bei Halbierung der Spannung geht die Auslenkung auf die Hälfte zurück.
  • Halbiert man die Probeladung, geht die Auslenkung auf die Hälfte zurück.

Genaue Messungen bestätigen:

Die Kraft auf einen geladenen Körper ist proportional zur Ladung des Körpers.

Es gilt also:

F\sim Q     und damit     \dfrac {F}{Q}=konst.

Diese Konstante hängt nur von der Stärke des elektrischen Feldes ab. Sie ist also ein Maß für die Stärke des elektrischen Feldes und wird daher als elektrische Feldstärke E bezeichnet.

Die elektrische Feldstärke

Die Elektrische Feldstärke E ist definiert als Kraft pro Ladung:

E = \dfrac{F}{Q}

Die Einheit der elektrischen Feldstärke lautet

1 \, \dfrac{\mathrm{N}}{\mathrm{C}} = 1 \, \dfrac {\mathrm{kgm}}{\mathrm{As^{3}}}

Die Richtung der elektrischen Feldstärke ist gleich der Richtung der Kraft auf eine positive (Probe)ladung, sie entspricht also der Richtung der Feldlinien. Die elektrische Feldstärke ist also wie die Kraft eine vektorielle Größe.

Die vektorielle Schreibweise lautet:

\vec{E} = \dfrac{\vec{F}}{Q}

Die Kraft auf eine (Probe)ladung q bzw. Q ergibt sich also aus dem Produkt der Größen Q und E:

F=Q\cdot E     bzw.     \vec{F}=Q\cdot \vec{E}

Info:

Weiter unten folgt mit Hilfe der gemessenen Größen eine Abschätzung der Kraft auf die Rasierklinge sowie der Ladungsmenge. Die Größenordnung der Kraft auf die Rasierklinge liegt in der Größenordnung von 10-4 N = 0,1 mN.

Zusammenhang zwischen Spannung U und Feldstärke E

Der Versuch zeigte, dass die Kraft auch von der Spannung U abhängt – je größer die Spannung zwischen den Platten, desto größer die Kraft.

Durch Erhöhung der Spannung muss sich also auch die Feldstärke vergrößert haben.

Feldstärke im Plattenkondensator

Um den Zusammenhang zwischen der elektrischen Feldstärke und der Spannung zwischen den Kondensatorplatten zu ermitteln, wird folgender Versuch durchgeführt:

Versuch:

Ein Kondensator wird geladen und anschließend von der Spannungsquelle getrennt. Um eine Änderung der Spannung zwischen den Platten zu erfassen, wird am Plattenkondensator ein Elektroskop angeschlossen – steigt die Spannung zwischen den Platten, vergrößert sich der Zeigerausschlag.

Ergebnis:

Zieht man die Platten auseinander, vergrößert sich die Spannung.

Erklärung:

Durch das Auseinanderziehen wird dem System Energie zugeführt, denn:

Die unterschiedlich geladenen Platten werden entgegen ihrer Anziehungskraft voneinander entfernt. Dabei wird an den Platten die Arbeit W = F · s verrichtet.

Zur Erinnerung: Für die Spannung gilt der Zusammenhang  U = \dfrac{W}{Q}

Wird der Abstand d zwischen den Platten vergrößert und damit Arbeit am System verrichtet, erhöht sich also die Spannung.

Die an den Ladungen verrichtete Arbeit beträgt dabei W=F\cdot \Delta s, wobei \Delta s der Vergößerung des Abstandes entspricht.

Diese Arbeit wird auch an einer kleinen Ladung q verrichtet, die in einem homogenen elektrischen Feld entlang der Feldlinien verschoben wird. Wenn diese Ladung über den gesamten Weg von einer Platte zur anderen verschoben wird, dann entspricht der Weg s dem Plattenabstand d: Es gilt s = d.

Für die an der Ladung verrichtete Arbeit gilt also:

W = F\cdot d   mit   F = q\cdot E

und damit

W = q\cdot E\cdot d        bzw.        \dfrac{W}{q}=E\cdot d

Ersetzt man nun W/q durch die Spannung U, ergibt sich:

U = E\cdot d

Damit lässt sich die elektrische Feldstärke im Plattenkondensator aus der Spannung U und dem Plattenabstand d berechnen:

Die elektrische Feldstärke im homogenen Feld eines Plattenkondensators beträgt:

E = \dfrac{U}{d}

Berechnung bzw. Abschätzung der elektrischen Feldstärke im Schulversuch:

Nun soll mit Hilfe der hergeleiteten Zusammenhänge die Feldstärke zwischen den Platten des Plattenkondensators ermittelt werden.

Dazu benötigen wir die Größen U und d.

Die angelegte Spannung U liegt zwischen 3kV und 6kV, der Plattenabstand lässt sich von ca. d = 2mm bis d = 10cm einstellen. Aus dem o.g. Zusammenhang ergibt sich eine maximale Feldstärke bei der größten Spannung und dem kleinsten Abstand. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass es bei zu hoher Spannung und zu kleinem Abstand zum Funkenüberschlag kommt.

Für einen Abstand von d = 2cm und einer Spannung von U = 6kV ergibt sich für die elektrische Feldstärke ein Wert von

E = \dfrac{U}{d} = \dfrac{6000\, V}{0,02\, m} = 300\, 000 \, \frac{V}{m}

Die Einheit \frac{V}{m} entspricht dabei der Einheit \frac{N}{C}. Das lässt sich zeigen, indem man jeweils alle Einheiten durch Basiseinheiten ausdrückt und entsprechend umformt.

Bestimmung der Ladungsmenge auf der Rasierklinge

Mit der Definition der elektrischen Feldstärke lässt sich nun auch die Ladungsmenge auf der Rasierklinge im oben beschriebenen Versuch ermitteln oder wenigstens abschätzen:

Dazu benötigt man die Messwerte für folgende Größen, die sich mit wenig Aufwand ermitteln lassen. Die folgenden Werte stammen aus einem realen Versuch:

    • Plattenabstand d = 7 cm
    • Spannung U = 6 kV
    • Auslenkung der geladenen Rasierklinge s = 1 cm (ermittelt durch Projektion auf Tafel)
    • Länge des Fadens l = 66 cm
    • Masse der Rasierklinge m = 0,45 g

Die elektrische Feldstärke lässt sich wie oben beschrieben aus der Spannung und dem Plattenabstand berechnen:

E=\dfrac{U}{d}=\dfrac {6000\, V}{0,07\, m} = 85\, 714 \, \frac {N}{C}

Für die auslenkende Kraft, die in diesem Fall der elektrischen Kraft entspricht (es herscht ein Kräftegleichgewicht zwischen der elektrischen Kraft und der Rückstellkraft), ergibt sich aus geometrischen Überlegungen:

F_{el}= F_{G}\cdot \dfrac{s}{l}

Die Kraft auf die gesuchte Ladung q der Rasierklinge beträgt damit:

F_{el}=0,00045\, kg\cdot 9,81\, \frac{N}{kg}\cdot \dfrac{0,01\, m}{0,66\, m} = 6,7 \cdot 10^{-4}\, N = 0,67\, mN.

Damit lässt sich nun die Ladungsmenge berechnen:

q= \dfrac{F}{E}= \dfrac{6,7\cdot 10^{-4}\, N}{85714 \, \frac{N}{C}} = 7,8\cdot 10^{-9}\, C = 7,8\, nC

Das ist weniger als der Hundertmillionste Teil eines Coulombs. Ein Coulomb scheint also eine sehr große Ladungsmenge zu sein.

Übungsaufgaben:

Cornelsen Oberstufe Physik Band 2 (1. Auflage 1998)

S. 244  2. / 3.

Metzler Physik SII (3. Auflage 1998)

S. 185  4. / 5. / 7.