Durch welchen Spalt gelangen die Elektronen?

Man könnte meinen, dass man das Verhalten der Elektronen, die durch den Doppelspalt gelangen, verstehen könnte, wenn man wüsste, durch welchen Spalt jedes einzelne Elektron hindurchgegangen ist.

Technisch ist es tatsächlich möglich, dies mit Hilfe einer Lampe hinter dem Doppelspalt für jedes einzelne Elektron zu messen – durch die Wechselwirkung zwischen den Elektronen und Photonen entsteht ein Lichtblitz hinter einem der beiden Spalte, so dass man jedem Elektronen eindeutig einen Spalt zuordnen kann.

Auch die Auftreffpunkte auf dem Schirm sind eindeutig bestimmbar.

Kommt man so dem Geheimnis des Verhaltens der Elektronen auf die Spur?

Leider nein!

Denn das Verrückte ist: Sobald man misst, durch welchen Spalt die Elektronen hindurchgegangen sind, entsteht kein Interferenzmuster mehr, sondern die Elektronen verhalten sich so, wie man es von Teilchen erwarten würde: Hinter den beiden Spalten entstehen Bereiche, in denen viele Elektronen auftreffen, zwischen den beiden Spalten treffen keine Elektronen auf.

Vergrößert man die De-Broglie-Wellenlänge der Elektronen, indem man sie langsamer auf den Doppelspalt treffen lässt, kommt das Interferenzmuster wieder zum Vorschein – aber nun sind die Lichtblitze so ausgedehnt, dass man den Elektronen keinen Spalt mehr zuordnen kann.

Es ist also nicht möglich, Elektronen, die ein Interferenzmuster verursachen, einen Spalt zuzuweisen.

Der Versuch, den interferierenden Quantenobjekten (in der Spaltebene) einen Ort zuzuweisen, scheitert.

Interferenzfähigkeit und Ortseigenschaft schließen sich offensichtlich gegenseitig aus.

Die Vorstellung, die Quantenobjekte gehen durch den einen oder anderen Spalt, ist falsch!

Der Ort ist objektiv unbestimmt (wenn nicht gemessen wird).

Nach unserer (klassischen) Vorstellung ist es möglich, dass man jedem Objekt einen genauen Ort sowie eine Masse und Geschwindigkeit und damit einen eindeutigen Impuls zuweisen kann.

Tatsächlich ist das jedoch nicht beliebig genau möglich – je genauer die eine Größe (der Ort) bestimmt wird, umso ungenauer lässt sich die andere Größe (der Impuls) bestimmen.

Beeinflusst die Messung das Verhalten der Elektronen?

Bei der Ortsmessung der Elektronen beim Doppelspaltexperiment könnte man damit argumentieren, dass die Photonen, mit denen der Ort der Elektronen bestimmt wird, einen Impuls auf die Elektronen übertragen und diese damit beeinflussen, wodurch sich ihr Impuls ändert.

Bei einer kleineren Wellenlänge des Lichts, kann der Ort zwar genauer bestimmt werden, allerdings besitzen die Photonen dann einen größeren Impuls und beeinflussen die Elektronen stärker, so dass sie von ihrem Verhalten ohne Ortsmessung noch weiter abweichen.

Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelation

Tatsächlich handelt es sich aber um ein grundlegendes Prinzip, dass nichts mit dem Messvorgang an sich oder mit der Messmethode zu tun hat:

Es ist prinzipiell nicht möglich, Ort und Impuls eines Objektes gleichzeitig beliebig genau zu bestimmen. Diese Tatsache wurde 1927 von Werner Heisenberg formuliert und wird als Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelation oder Heisenberg’sche Unschärferelation bezeichnet.

Diese Unbestimmtheit tritt bei vielen messbaren Größen in der Quantenphysik auf.

Auch das Prinzip der Beugung lässt sich mit der Unbestimmtheitsrelation erfassen

Um mit einem Laserstrahl eine Nadelspitze zu beleuchten, kann man den Laser vor einen Spalt stellen und diesen immer weiter einengen.

Dadurch wird das Lichtbündel zunächst schmaler, doch sobald die Wellenlänge nicht mehr vernachlässigbar klein gegenüber dem Blendendurchmesser ist, tritt Beugung auf, und das Lichtbündel wird wieder breiter.

Diese Beugungserscheinungen treten bei allen Quantenobjekten, also auch bei Elektronen, auf.

Das bedeutet:

Ein Elektron bewegt sich nicht auf beliebig dünnen Linien!

Der Aufenthaltswahrscheinlichkeitsbereich ist einige De-Broglie-Wellenlängen breit.

Der “Bahn”-begriff ist also problematisch – letztendlich bedeutet das:

Quantenobjekte bewegen sich nicht auf Bahnen.

Solange man den Aufenthaltsbereich für ein Quantenobjekt nicht stark einschränkt, spielen diese Effekte keine Rolle. Je schmaler allerdings der Spalt wird, umso stärker wird der Aufenthaltsort eingeschränkt und umso “unschärfer” wird der Impuls (genauere Erklärung dazu s.u.).

Aber z.B. in Atomen, in denen Elektronen in einem Bereich mit einem Durchmesser von etwa 10-10 m “eingesperrt” sind, ist es unmöglich, für diese eine Bahn anzugeben.

Dies ist ein entscheidender Unterschied zwischen der Newton’schen Mechanik und der Quantenmechanik. Die Quantenmechanik spielt daher eine ebenso wichtige Rolle in der Atomphysik (Quantenphysik der Atomhülle).

Unschärferelation quantitativ

Zur quantitativen Erfassung der Unbestimmtheitsrelation am Einzelspalt kann man sich ein Modell vorstellen, in dem die Elektronen einmal als Welle und einmal als Teilchen betrachtet werden:

Betrachten wir zunächst Wellen- und Teilchenbild vor dem Spalt:

Im Wellenbild (links) gilt:

Ausbreitungsrichtung und Wellenlänge sind bekannt, damit ist der Impuls festgelegt:

p=\dfrac {h}{\lambda}

Im Teilchenbild (rechts) gilt:

Ausbeitungsrichtung und Geschwindigkeit sind bekannt, damit ist der Impuls festgelegt:

p=mv

Über den Ort kann man allerdings keine genaue Angabe machen – die Ortskoordinate x ist unbestimmt.

Nun betrachten wir Wellen- und Teilchenbild hinter dem Spalt:

Im Wellenbild (links) gilt:

Ist der Spalt sehr schmal, wird die Welle gebeugt, und hinter dem Spalt ist die Ausbreitungsrichtung nicht mehr eindeutig – die Wellen laufen auseinander.

Im Teilchenbild (rechts) gilt:

Durch den Spalt werden die möglichen Ortskoordinaten Δx stark eingeschränkt – die Ortsunschärfe ist klein.

Durch die unterschiedlichen Ausbreitungsrichtungen ist allerdings der Impuls nicht mehr eindeutig sondern unscharf – Die Impulsunschärfe beträgt Δp.

Aus diesem Modell ergibt sich:

Je kleiner die Ortsunschärfe Δx, umso größer ist die Impulsunschärfe Δp.

Werner Heisenberg konnte diesen Zusammenhang präzisieren und zeigen, dass dieses Prinzip über dieses Beispiel hinaus universell und für alle Arten von Objekten gilt.

Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelation

Ort und Impuls eines Teilchens lassen sich grundsätzlich nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmen.

Es gilt:

\Delta p_{x}\cdot \Delta x\geq \dfrac {h}{4\pi}

Auch Die Größenordnung der Unschärfe lässt sich mit Hilfe des Beugungsbildes am Einzelspalt abschätzen:

Unbestimmtheitsrelation qualitativ

Vor dem Spalt ist nur die y-Komponente des Impulses ≠ 0. Der Impuls ist also eindeutig festgelegt.

Hinter dem Spalt hat der Impuls eine zusätzliche Komponente in x-Richtung, wodurch eine Impulsunschärfe Δpx in x-Richtung entsteht. Um diese abzuschätzen, wird der Abstand zum ersten Minimum als Maß für Δpx angesehen.

Mit Hilfe der Lage des Minimums erster Ordnung am Einzelspalt lässt sich die Impulsunscharfe Δpx abschätzen:

Für den Winkel zum ersten Minimum beim Einzelspalt gilt:

sin\alpha=\dfrac {\lambda}{l}     mit l = Spaltbreite

Hier beträgt die Spaltbreite l=2\, \Delta x

Damit gilt:

sin\alpha=\dfrac {\lambda}{2\, \Delta x}

Mit der De-Broglie Wellenlänge \lambda=\dfrac {h}{p} ergibt sich

sin\alpha=\dfrac {h}{2\, p\, \Delta x}        (1)

In der Skizze erkennt man:

sin\alpha \simeq \dfrac {\Delta p_{x}}{p}        (2)

Nun kann man beide Gleichungen (1) und (2) gleichsetzen:

\dfrac {h}{2\, p \, \Delta x}=\dfrac {\Delta p_{x}}{p}

Kürzt man nun den Impuls p auf beiden Seiten, folgt schließlich entsprechend der Unschärferelation

\Delta x\cdot \Delta p_{x}\simeq \dfrac {h}{2}

Das entspricht nicht dem genauen Wert (vgl. oben), da die Annahme für Δpx ungenau ist (die Nebenmaxima wurden nicht berücksichtigt), man erhält aber aus dieser Überlegung bereits die richtige Größenordnung.

Ein ähnlicher Zusammenhang wie zwischen Ort und Impuls besteht auch zwischen Energie und Zeit.

Entsprechend gilt für die Energieunschärfe ΔE und Zeitunschärfe Δt:

\Delta E\cdot \Delta t\geq \dfrac {h}{4\pi}

Bei den Größen Ort und Impuls bzw. Energie und Zeit handelt es sich jeweils um komplementäre Größen. Wenn die Ortsunschärfe abnimmt, wächst die Impulsunschärfe und umgekehrt.

Wie schon beschrieben, kommt die Unschärfe nicht durch technische  Unzulänglichkeiten oder eine Beeinflussung durch den Messprozess zustande, wie Heisenberg zunächst selbst fälschlicherweise annahm, sondern es handelt sich um ein universelles Prinzip.

Dadurch, dass die Konstante h extrem klein ist, sind die beschriebenen Effekte im Alltag in der Regel nicht bemerkbar und widersprechen unseren Vorstellungen.

Es gibt allerdings leicht durchführbare Experimente, mit denen die Unschärferelation bestätigt werden kann:

Unschärfe von Photonen

Mit einer Quecksilberhöchstdrucklampe lässt sich die Unschärferelation bestätigen.

Das Licht einer solchen Gasentladungslampe entsteht innerhalb der Quecksilberatome. Steigt der Druck in der Lampe, so stoßen die Quecksilberatome häufiger zusammen, wodurch die Emission der Wellenzüge unterbrochen wird. Dadurch verringert sich die Kohärenzlänge, was eine kleinere Ortsunschärfe zur Folge hat (der Wellenzug ist kürzer – damit ist der Ort genauer festgelegt).

Das wiederum bedeutet, dass die Energie- und damit die Frequenzunschärfe zunimmt – die Frequenzkomponenten gehören dadurch einem breiteren Frequenzbereich an.

Bei Experimenten zur Interferenz mit dem optischen Gitter oder einem Glimmerblatt führt das dazu, dass die Minima und Maxima nicht mehr klar voneinander getrennt sind und verschwimmen. Nach einer Weile sind beim Experiment mit dem Glimmerblatt keine Interferenzringe mehr zu erkennen.

Auch das Gitterspektrum besteht nicht mehr aus klar voneinander getrennten dünnen Linien, sondern die Linien verbreitern sich, werden unschärfer und verschwimmen miteinander:

Hg-Linien scharf

Linienspektrum kurz nach Einschalten der Quecksilberhöchstdrucklampe

Hg-Linien unscharf

Spektrum ca. 10 Minuten nach dem Einschalten

Zum Verständnis der Unschärferelation und ihrer Bedeutung gibt es zwei hilfreiche Beiträge von Alpha Centauri:

>> Was ist die Unschärferelation?

>> Welche Bedeutung hat die Unschärferelation?

Übungsaufgaben:

Metzler Physik SII (3. Auflage 1998)

S. 393  1.