Das Potentialtopfmodell
Wie wir inzwischen wissen, haben Mikroobjekte, wie Elektronen, Photonen, Protonen oder Neutronen Welleneigenschaften.
So, wie das Verhalten der Elektronen in der Atomhülle mit einer Wellenfunktion beschrieben werden kann, lässt sich auch das Verhalten von Nukleonen im Kern mit Wellenfunktionen beschreiben.
Analog zum Modell des linearen Potentialtopfes für die Atomhülle wird das energetische Potential im Atomkern mit dem sogenannten Potentialtopmodell beschrieben:
Der Wirkungsbereich der starken Kernkraft reicht etwa 1,5 fm (1,5 ⋅ 10-15 m) weit. Bei größerem Abstand sinkt die Anziehungskraft schnell auf Null.
(Bei Abständen unter 0,5 fm gibt es sogar eine abstoßende Wirkung. Das erklärt die konstante Dichte von Atomkernen.)
Das energetische Potential dieser Kernkraft zeigt in seinem Ortsverlauf ein kasten- oder topfförmiges Aussehen – daher die Bezeichnung Potentialtopmodell:
Für Neutronen und Protonen existieren getrennte Potentialtöpfe. Die Energieniveaus sind in beiden Töpfen bis zur Höhe des Fermi-Niveaus besetzt.
(Als Fermi-Energie wird die Energie des höchsten besetzten Zustandes bezeichnet.)
Um Kugeln aus dem Topf zu entfernen, muss man sie hochheben, also ihre potentielle Energie erhöhen. Die Nukleonen müssen die Kernkraft überwinden, um den Kern zu verlassen.
Da sich die Protonen im Kern untereinander abstoßen, ist es leichter, ein Proton aus dem Kern zu entfernen als ein Neutron. Der Potentialtopf für Protonen verschiebt sich zu höheren Energien. Der Topf ist für Neutronen daher tiefer als für Protonen.
Der Potentialwall
Nähert man dem Kern von außen ein Proton, so wird es zunächst abgestoßen. Es muss also gegen eine zunehmende abstoßende Kraft “geschoben” werden, so als müsste man es „einen Berg hinauf rollen“.
Man sagt: Es existiert ein sog. „Potentialwall“ am Rand des Protonentopfes:
Gerät das Proton in den Wirkungsbereich der Kernkräfte, gehen der Kern und das Proton eine Bindung ein, was physikalisch einen Energieverlust für das Proton darstellt; das Proton “fällt” in dessen „Potentialtopf“.
(Nur durch Zufuhr von Energie lässt sich diese Bindung wieder aufbrechen.)
Die Töpfe für Protonen und Neutronen sind für stabile Kerne immer etwa gleich hoch besetzt (Fermi-Niveau). Das erklärt, warum große Kerne immer mehr Neutronen besitzen als Protonen.