Welleneigenschaften von Elektronen

Licht und andere elektromagnetische Strahlung hat neben Welleneigenschaften auch Eigenschaften, die man eher Teilchen zuschreiben würde, nämlich (relativistische) Masse und Impuls.

Es ist also nicht eindeutig möglich, zwischen Wellen und Teilchen zu unterscheiden.

Elektronen werden in der klassischen Physik als punktförmige Teilchen betrachtet, die eine genau definierte bekannte Masse haben und je nach Geschwindigkeit entsprechende Energie und Impuls.

Im Jahr 1923 veröffentlichte der französische Physiker Louis De Broglie eine Doktorarbeit und schockierte damit die Prüfungskommission – er postulierte darin Welleneigenschaften von Elektronen.

Sein Gedanke war: Wenn man Licht sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften zuschreiben kann, müssten bewegte Materieteilchen auch Welleneigenschaften zeigen.

Er ordnete allen Teilchen, wie z.B. Elektronen, entsprechend eine Wellenlänge zu, die sich aus folgender Überlegung ergibt:

Wenn man einem Photon mit der Energie E=hf den Impuls p=\dfrac {h}{\lambda} zuordnen kann, ergibt sich im Umkehrschluss, dass man einem Elektron mit dem Impuls p die Wellenlänge \lambda=\dfrac {h}{p} zuordnen kann.

Diese von De Broglie postulierte Wellenlänge wird als De-Broglie-Wellenlänge bezeichnet.

Hypothese von De Broglie

Teilchen, wie Elektronen, haben Welleneigenschaften.

Die Wellenlänge eines Teilchens hängt von seinem Impuls ab und beträgt

\lambda=\dfrac {h}{p}

Doch was soll man sich unter Welleneigenschaften von Elektronen oder anderen Teilchen vorstellen?

Handelt es sich bei den o.g. Überlegungen nur um mathematische Umformungen ohne physikalische Relevanz? Oder gibt es vielleicht Phänomene wie Interferenz auch bei Elektronen?

Zunächst war überhaupt nicht klar, wie die Welleneigenschaften von Elektronen zu verstehen sein sollten.

Berechnung der De-Broglie-Wellenlänge

Um diese Fragen zu klären, macht es Sinn, zunächst einmal die De Broglie-Wellenlänge für ein Elektron zu berechnen.

Wir haben Elektronen in mehreren Experimenten mit Beschleunigungsspannungen im kV-Bereich beschleunigt. Nehmen wir also für die Berechnung ein Elektron, welches mit einer Beschleunigungsspannung von UB = 4 kV = 4000 V beschleunigt wurde.

Durch die Beschleunigung erhält es die kinetische Energie E_{kin}=\frac {1}{2}mv^{2}.

Nach dem Prinzip der Energieerhaltung lassen sich elektrische Energie E_{el}=Ue und kinetische Energie E_{kin}=\frac {1}{2}mv^{2} gleichsetzen:

\frac {1}{2}mv^{2}=Ue

Die Masse ist in diesem Fall die Masse eines Elektrons.

Um den Impuls zu berechnen, brauchen wir die Geschwindigkeit des Elektrons. Wir lösen also die Gleichung nach v auf und erhalten

v=\sqrt {\dfrac {2Ue}{m_{e}}}

Nun setzten wir die Werte ein:

v=\sqrt {\dfrac {2\cdot 4000V\cdot 1,602\cdot 10^{-19}C}{9,109\cdot 10^{-31}kg}}

und erhalten damit eine Geschwindigkeit von

v=3,75\cdot 10^{7}\frac {m}{s}.

(Anmerkung: Das entspricht etwa 12,5% der Lichtgeschwindigkeit. Für eine exakte Berechnung müsste man relativistisch rechnen.)

Damit lässt sich der Impuls des Elektrons berechnen:

p=mv=9,109\cdot 10^{-31}kg\cdot 3,75\cdot 10^{7}\frac {m}{s}=3,42\cdot 10^{-23}\frac {kg\cdot m}{s}

Nun setzen wir diesen Impuls in die De-Broglie-Gleichung (s.o.) ein.

Es ergibt sich eine De-Broglie-Wellenlänge von

\lambda=\dfrac {h}{p}=\dfrac {6,626\cdot 10^{-34}Js}{3,42\cdot 10^{-23}\frac {kg\cdot m}{s}}=1,9\cdot 10^{-11}m=19\, pm

So geht’s einfacher:

Einfacher wird die Berechnung der De-Broglie-Wellenlänge, wenn man die Gleichung nach dem Impuls umstellt und in die Formel für die De-Broglie-Wellenlänge einsetzt:

\frac {1}{2}mv^{2}=Ue        | \cdot 2m

Multipliziert man die Gleichung mit 2m, so erhält man

m^{2}v^{2}=2Uem

Da mv der Impuls ist, entspricht m^{2}v^{2} dem Quadrat des Impulses:

p^{2}=2Uem

Nun ziehen wir die Wurzel und erhalten für den Impuls

p=\sqrt {2Uem}

Diesen Ausdruck für den Impuls setzen wir in die De Broglie-Gleichung \lambda=\dfrac {h}{p} ein und erhalten für die De-Broglie-Wellenlänge den Ausdruck

\boldsymbol {\lambda= \dfrac {h}{\sqrt {2Uem}}}

Bei sehr großen Beschleunigungsspannungen, also für Elektronen mit sehr hoher kinetischer Energie, ist die klassische Berechnung, wie oben gezeigt, nicht mehr zulässig. Es müssen dann relativistische Effekte berücksichtigt werden.

Die Gleichung zur Berechnung der De-Broglie-Wellenlänge lautet dann:

\lambda=\dfrac {hc}{\sqrt {2U_{B}em_{e}c^{2}+\left(U_{B}e \right)^{2}}}

Bis zu einer Elektronenenergie von ca. 20 keV liegt der Fehler bei der klassischen Berechnung unter 1%.

Eine Herleitung der Formel für die relativistische Berechnung findest Du hier.

Die berechnete Wellenlänge liegt im Bereich der Röntgenstrahlung. Um Welleneigenschaften von Elektronen mit entsprechender kinetischer Energie nachzuweisen, müssten also Methoden gewählt werden, die sich auch zum Nachweis der Welleneigenschaften von Röntgenstrahlen eignen – z.B. also mit Hilfe von Kristallen.

Experimentelle Bestätigung

Tatsächlich lieferten knapp vier Jahre später, im Jahre 1927, die Amerikaner C. J. Davisson und L. H. Germer den experimentellen Nachweis für die Welleneigenschaften von Elektronen mit Hilfe eines Nickelkristalls. Sie konnten dabei auch die von De Broglie postulierte Wellenlänge bestätigen.

Ein ähnliches Verfahren, bei dem kein Einkristall sondern eine dünne Schicht kleiner Graphitkristalle verwendet wird, liefert ebenfalls eine Bestätigung der postulierten Welleneigenschaften. Dieses zunächst zur Interferenz von Röntgenstrahlung genutzte Verfahren nennt sich Debye-Scherrer-Verfahren.

Dieses Verfahren lässt sich mit Hilfe einer Elektronenbeugungsröhre realisieren:

Auf der durchbohrten Anode einer Elektronenstrahlröhre ist eine dünne Schicht mit Graphitkristallpulver aufgebracht. Nachdem der gebündelte Elektronenstrahl diese Schicht durchdrungen hat, trifft er auf einen Leuchtschirm.

Beobachtung:

Auf dem Leuchtschirm entsteht ein kreisförmiges Bild mit einer hellen Mitte und zwei deutlich voneinander getrennten hellen Ringen:

ElektronenbeugungInterferenzmuster in Form von konzentrischen Kreisen

Verändert man die Beschleunigungsspannung, so zeigt sich:

Die Ringe werden umso kleiner, je größer die Beschleunigungsspannung ist.

Erklärung:

Wenn Teilchen, wie Elektronen, an der Graphitschicht gestreut werden, sollte eigentlich in der Mitte des Leuchtschirms ein heller Kreis entstehen, der nach außen hin dunkler wird.

Bei den Ringen handelt es sich jedoch um Interferenzerscheinungen. Die “Elektronenwellen” werden wie Röntgenstrahlen an den verschiedenen Netzebenen der Mikrokristalle reflektiert und interferieren je nach Winkel, in dem sie auf die Kristalle treffen, konstruktiv oder destruktiv.

Mit der Bragg-Gleichung lässt sich die Wellenlänge der Elektronenwellen berechnen (der Glanzwinkel ergibt sich aus den Radien der Ringe auf dem Schirm und dem bekannten Netzebenenabstand von Graphit). Diese stimmt mit der berechneten De-Broglie-Wellenlänge überein.

Damit können die Welleneigenschaften sowie die von De Broglie postulierte Wellenlänge von Elektronen bestätigt werden.

Die De-Broglie-Wellenläge der Elektronen hängt vom Impuls und damit von der Beschleunigungsspannung ab. Je größer die Beschleunigungsspannung, umso größer der Impuls und umso kleiner die Wellenlänge.

Das erklärt den beobachteten Zusammenhang zwischen Beschleunigungsspannung und Radius der Ringe: Je größer die Beschleunigungsspannung, umso kleiner die Wellenlänge und umso kleiner der Radius.

Elektronen zeigen in Ihrer Ausbreitung Welleneigenschaften.

Ihre De-Broglie-Wellenlänge beträgt \lambda=\dfrac {h}{p}

Für Elektronen, die mit der Beschleunigungsspannung U_{B} beschleunigt wurden, ergibt sich für ihre

De-Broglie-Wellenlänge

\lambda= \dfrac {h}{\sqrt {2U_{B}em}}

Übungsaufgaben:

Cornelsen Oberstufe Physik Band 2 (1. Auflage 1998)

S. 313  A4, A5, A6

Metzler Physik SII (3. Auflage 1998)

S. 387  1. / 2.

Wie soll man sich die Welleneigenschaften von Teilchen vorstellen?

Am besten gar nicht! Denn praktisch jede bildliche Darstellungsweise führt zu einem falschen Verständnis der Eigenschaften der sog. Mikroobjekte.

So wäre es z.B. falsch, sich vorzustellen, Teilchen würden sich wellenförmig fortbewegen. Diese Vorstellung ist schon deshalb falsch, da der Abstand zwischen den einzelnen Teilchen (Elektronen etc.) viel zu groß wäre und sich Elektronen nicht teilen können.

Einen Hinweis, was unter den Welleneigenschaften von Mikroobjekten zu verstehen ist, liefert wieder einmal das Doppelspaltexperiment – dieses lässt sich nämlich nicht nur mit Licht, sondern auch mit Elektronen und anderen Materieteilchen durchführen.

Claus Jönsson war der erste, der ab 1957 Experimente zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt durchführte.

Auf der nächsten Seite erfährst Du mehr über das nach ihm benannten Jönsson-Experiment von 1961!