Lösung der Schrödingergleichung für den linearen Potentialtopf
Nun, wo wir die Schrödingergleichung in der in Schulbüchern üblichen Schreibweise vorliegen haben, wollen wir sie für ein einfaches und bekanntes Beispiel lösen:
Die Schrödingergleichung lautet (s.o.): 
Für den linearen Potentialtopf gilt:
Innerhalb des Potentialtopfes mit der Länge
ist die potentielle Energie Null. Die Gesamtenergie ist also gleich der kinetischen Energie.
Mit
vereinfacht sich die Schrödingergleichung zu
(1)
Wir kennen bereits eine mögliche Lösungsfunktion, nämlich die Wellenfunktion für stehende Wellen:

Dabei muss die Bedingung für stehende Wellen mit zwei festen Enden gelten:
bzw. 
Eingesetzt in die Wellenfunktion ergibt sich

Wir benötigen auch noch die zweite Ableitung dieser Funktion. Diese lautet:

Nun setzen wir die Wellenfunktion sowie ihre zweite Ableitung in die Schrödingergleichung (1) ein:

Es lässt sich
,
sowie der Sinusterm kürzen. Das ergibt:
|
| 
Die letzte Umformung liefert schließlich die diskreten Energiewerte im linearen Potentialtopf.
Die eingesetzte Wellenfunktion stellt also eine Lösung der Schrödingergleichung dar für die Bedingung

Wir erhalten also die gleichen diskreten Energien wie mit unserer Überlegung im Abschnitt Das Modell des linearen Potentialtopfes.
Berechnung von Wahrscheinlichkeiten
Nun wollen wir auch noch die Wahrscheinlichkeit berechnen, ein Elektron im linearen Potentialtopf der Länge
in einem bestimmten Teilbereich
anzutreffen.
Die Wahrscheinlichkeit
entspricht dem Produkt aus dem Quadrat der Wellenfunktion (Wahrscheinlichkeitsdichte) und einem Intervall
:

mit
und damit 
Zur Erinnerung: Es gilt:

Für den Grundzustand
hat das Quadrat der Wellenfunktion
und damit die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte in Abhängigkeit vom Ort x folgende Form:

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte ändert sich also mit dem Ort
und damit für jedes mögliche Intervall
. Die Fläche des Rechtecks entspricht in etwa der Teilwahrscheinlichkeit des Intervalls
.
Normierung
Die Summe der Teilwahrscheinlichkeiten für alle möglichen Intervalle
von
bis
ergibt die gesamte Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Bereich der Länge
zu finden.
Nach der Definition des linearen Potentialtopfes (mit unendlich hohen Wänden) kann sich das Teilchen nur innerhalb der Länge
aufhalten. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit innerhalb des gesamten Bereichs der Länge
ist also 1 (oder 100%), außerhalb ist sie 0.
Wir müssen die Amplitude
der Lösungsfunktion daher so wählen, dass diese Bedingung erfüllt wird. Das wird als Normierung bezeichnet.
Teilwahrscheinlichkeiten
Um eine Teilwahrscheinlichkeit in einem Intervall
zu berechnen, muss der Funktionswert für einen Ort
mit dem Intervall
multipliziert werden.
Da sich die Wahrscheinlichkeitsdichte innerhalb des Bereichs
ändert, ordnen wir zur Vereinfachung dem gesamten Bereich
den Wert
in der Mitte des Intervalls zu und tun so, als wäre der Wert über den gesamten Bereich
konstant.
Wie man in der Abbildung oben sieht, ist der Fehler vertretbar und umso kleiner, je kleiner das Intervall
ist. Die Wahrscheinlichkeit
entspricht so der Fläche des Rechtecks.
Für den Bereich von x = 0 bis x = L muss für die Summe aller Teilwahrscheinlichkeiten (s.o.) gelten:
mit
(für
)
Für Intervalle
wird aus der Summe ein Integral.
Die Gesamtwahrscheinlichkeit entspricht der gesamten Fläche unter der
-Funktion:

bzw. 

Die Lösung dieses Integrals lässt sich in einer Formelsammlung nachschlagen. Das Ergebnis ergibt den Normierungsfaktor (die Amplitude)
und damit 
Wahrscheinlichkeiten berechnen
Mit diesem Normierungsfaktor lautet die Wellenfunktion, die eine Lösung der Schrödingergleichung darstellt
mit n = 1, 2, 3, …
Damit ist
mit n = 1, 2, 3, …
Die Wahrscheinlichkeit
, das Elektron in einem Intervall
zu finden, beträgt damit
mit n = 1, 2, 3, …
Für den Grundzustand (
) gilt also:

Um konkrete Werte für die Wahrscheinlichkeiten berechnen zu können, müssen wir Werte für die Länge
und die Intervalle
festlegen.
Wir wählen für
, was in etwa dem Durchmesser eines Atoms entspricht und teilen diese Länge in 10 gleich große Intervalle
ein. Damit ist
.
Außerdem gilt:
,
usw.

Wir tun dabei so, als ob die Wahrscheinlichkeitsdichte über den Bereich
konstant sei und ordnen jedem Intervall jeweils den Mittelwert zwischen den Grenzen des Intervalls zu.
Nun lässt sich für jedes Intervall die Wahrscheinlichkeit berechnen, ein Elektron in diesem Bereich anzutreffen. Aufgrund der Symmetrie der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion genügt es, die Wahrscheinlichkeiten für die ersten 5 Intervalle
(linke Hälfte) zu berechnen – die Werte in der rechten Hälfte sind identisch.
Berechnung der Wahrscheinlichkeit
für das erste Intervall
(mit
:

Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron im Bereich zwischen
und
anzutreffen beträgt 0,49 %.
Entsprechend lassen sich die Wahrscheinlichkeiten für die anderen Intervalle berechnen. Die Ergebnisse für alle Intervalle sind in folgender Tabelle aufgeführt: